Manchmal fahren wir durch ein Land oder einen Landstrich und merken schon während der Fahrt, dass wir nicht alles sehen können. Ab und zu legt sich dieses Gefühl wieder - wir können ja nun wirklich nicht alles sehen. Aber manchmal bleibt dieser Druck… dieses: „Da müssen wir nochmal hin“ - Gefühl.
So war das 2017: Wir haben Feuerland gesehen, die Torres del Paine, den Fitz Roy und den Perito Moreno Gletscher… aber die Carretera Austral, diese vom Diktator Pinochet ohne ersichtlichen Grund erbaute Straße, die Ruta 7 durch den kalten Regenwald - die haben wir nicht ganz gesehen. Nicht den Park Pumalin, nicht Chiloé und nicht den letzten Teil, die erst ab 1994 gebaute Sackgasse bis in das kleine Örtchen Villa O´Higgins. |
Hier, mit diesem faszinierenden Fleckchen Erde, sind wir noch nicht fertig. Hier müssen - oder besser wollen wir einfach noch einmal hin.
Es hat sich gelohnt: auf der Insel Chiloé waren wir fast am offiziellen Ende der Panamericana, den Süden Chiles erlebten wir diesmal in kurzer Hose und T-Shirt und jetzt geht es weiter bis zum Ende der Carretera Austral (7) - zum Ort Villa O´Higgins. Hier endet nicht nur die Carretera Austral, hier enden alle Straßen, weiter geht es von dort nur über den Seeweg - oder theoretisch über das südpatagonische Eisfeld. Prompt bietet die Carretera noch einmal eine neue Landschaft: es wird trockener. Dafür wieder großartig, mit schnee- oder gletscherbedeckten Bergen im Hintergrund. Davor Flüsse von denen jeder hat eine andere Farbe hat: türkis, dunkelblau, braun, milchig-grün… oder alle Schattierungen dazwischen. |
An der „Confluencia“ fließen Rio Baker und Neff zusammen, der milchig-grüne in den türkis-farbenen Fluss, direkt an einem Wasserfall… ewig könnte man diesem Schauspiel zugucken….
Der Rio Baker wird uns bis Caleta Tortel begleiten. |
Im kleinen Ort Cochrane checken wir bei einem teuren aber leckeren Craft-Bier nochmal das Internet, bevor wir der Laguna Esmeralda ein Plätzchen für die Nacht finden…
|
Am nächsten Tag hält die Carretera immer wieder Wow´s bereit: ob am schmalen Weg durch die Berge oder auf der Fähre von Puerto Yungay über den Rio Bravo.
Auch dieser Schlafplatz kurz vor |
o`Higgins am Lago Cisnes, diesmal ohne iOverlander gefunden, ist eine Wucht: ca. 200 m von der Carretera entfernt. Okay, hungrige Stechmücken hat es hier in Massen, aber die haben wenigstens Worte wie Malaria und Gelbfieber noch nicht mal gehört.
|
Natürlich fahren wir bis zum Schild: „Ende der Carretera Austral“ (fast hätten wir es nicht gefunden ;-)) und natürlich steigen wir über den Zaun zum „Alta Vista“ Wanderweg.
|
Eigentlich hätten wir vorher irgendwo anrufen sollen, aber das schenken wir uns einfach. Er lohnt wirklich, dieser sechs-Stunden-Marsch, auch oder weil man in dieser Zeit niemand anderen trifft.
|
Das Gefühl, Landschaften zu sehen, durch die Menschen vielleicht geritten, aber sicher nicht gefahren sind, ist schon speziell. Von oben sehen wir Gletscher, Bergseen und Lagunen- herrlich.
|
Bei der Rückfahrt machen wir noch einen Abstecher nach Caleta Tortel.
Gut, wir waren darauf hingewiesen worden, dass dieser Ort - komplett auf Stelzen - nicht richtig schön ist…. |
aber wenn wir doch schon mal hier sind. Lange Rede kurzer Sinn: der Ort wirkt auf uns - trotz Sonnenschein: trostlos.
Hier wird viel Geld investiert, um mit Touristen Geld zu verdienen. |
Doch der ganze Ort wirkt unaufgeräumt und muffig.
Hier bleibt sicher niemand freiwillig länger als eine Nacht. |
Zurück in Cochrane treffen wir im Supermarkt zufällig Oskar. Ihn und seine Frau Anne haben wir 2017 in Chile Chico kennen gelernt.
Er empfiehlt den Lago Cochrane. iOverlander beschreibt dort einen wunderschönen Stellplatz direkt am Strand. Also nichts wie hin… der Weg ist zwar selbst für südamerikanische Verhältnisse holperig, aber die Aussicht auf den riesigen See entschädigt für das Gepolter. |
An der einzigen Zufahrt zum See dann große Enttäuschung: das Gestrüpp am Wegrand lässt den Dicken nicht durch. Nach einem kurzen Marsch zum Strand steht fest: so schnell geben wir da nicht auf.
Jetzt werden Äste gekürzt. Doch wieder scheint kein Durchkommen. Thomas muss aufs Dach. Wir haben Glück: die Äste brechen relativ leicht. Wir parken (Thomas schweißnass) im Wissen, dass wir uns diesen Platz hart erarbeitet haben. |
Thomas will zum Abkühlen jetzt nur noch ins glasklare Wasser. Aber das sieht nicht nur eiskalt aus…
Es herrscht kreischende Stille hier. Nicht mal das Wasser plätschert. Manchmal bekommen wir Besuch von Badenden und Anglern. Alle hören wir schon 10 Minuten ihrer Ankunft. |
Thomas Angelversuche - und die aller hier Aufschlagenden - sind erfolglos. Nur drei Männer in einem Schlauchboot zeigen nach Stunden stolz einen großen Fisch.
Sie werden uns in Erinnerung bleiben - die Stunden am Lago Cochrane…. Chris´ Geburtstag steht an. Dazu möchten wir Internet. An besonderen Tagen ist der Kontakt zu unseren Lieben ganz besonders wichtig |
- die kurzen Telefonate, die Grüße über Whatsapp, email oder über Facebook sind uns wichtig. Und so verbringen wir eine doch ziemlich lange Zeit in der Kneipe der Lokalbrauerei bei ziemlich teurem Bier.
Der doch recht hohe Bierpreis ist wahrscheinlich der Grund dafür, warum wir nicht direkt vor der Kneipe schlafen, sondern noch in den Patagonia Park, ins Valle Chacabuco, fahren. Dieser Park - direkt an der argentinischen Grenze - gehörte wie der Pumalin Park dem Ehepaar Tomkins. |
Die beiden - Gründer und Eigentümer der Marken North Face, Esprit und Patagonia - haben diese Flächen gekauft, sie renaturiert und stellen sie jetzt dem Staat zur Verfügung.
Als wir ankommen, sind wir erst ein ganz klein bisschen enttäuscht, der Reiseführer hatte das Tal als Serengeti Patagoniens angekündigt. O.k., so „zahme“ Guanakos haben wir noch nie gesehen, sonst kaum Tiere, aber die Landschaft haut uns so ziemlich vom Hocker. |
Dazu kommt, dass die Campingplätze edel aber auch ziemlich teuer sind. Tips für FreiCamper aus IOverlander sind abgesperrt. Wir brauchen und wollen keinen Campingplatz und finden einen Übernachtungsplatz im Flußbett des Chacabuco. Der ist wunderschön, hält uns aber wach - fast die ganze Nacht. Der patagonische Wind gibt, was er so kann (wir hätten es fast vergessen).
Trotzdem brechen wir am nächsten Morgen zu einer langen Tageswanderung auf, der Camino „Lagunas altas“. 23 km und 800 Höhenmeter, so die Vorhersage. Thomas trackt mit, es sind nur 21 km, dafür 980 Höhenmeter, alle hoch und wieder runter. |
Und so sind wir ganz schön platt, als wir am Abend wieder am Dicken sind. Dafür haben wir ganz viel gesehen, Guanakos ganz nah, Kondore in der Ferne und sind durch viele Vegetationszonen gelaufen, sogar eine Orchidee hat Thomas erspäht. |
Trotz unserer Müdigkeit wollen wir weiter, im Park darf man offiziell nur auf den „teuren Campingplätzen“ übernachten. Also wieder raus, am Rio Baker finden wir ein schönes Plätzchen - nur fast im Wasser. Da trudeln noch 12 junge Leute aus der ganzen Welt ein, begeisterte Kanuten, die am nächsten Morgen u.a. den Wasserfall an der Confluencia befahren.
|
Bei uns gibt es leckere Lachs- Nudeln, nach einem Rezept von Heike und Jürgen. Und früh ins Bett: wir schlafen traumhaft in dieser Nacht.
|