„Bei Regen ist die Straße schlecht befahrbar.“ So oder so ähnlich hatte man uns in der App iOverlander vor der Fahrt in den Nationalpark Iberá gewarnt.
Der Himmel war blau, die Temperatur lag bei knapp 30 Grad, also los. Bis zum Einbuch der Dunkelheit müssten wir locker in Carlos Pellegrini sein. Wenn es dort etwas regnet, wie vorhergesagt, ist nicht schlimm. So dachten wir. In Tigre, einem Vorort von Buenos Aires, wo der Dicke die letzten Monate auf uns gewartet hatte, wurde er nach unserer Rückkehr erst mal repariert. |
Bei richtig herbstlichen Bedingungen wurden fast alle Probleme gelöst: Mittelsperre, Dieselpartikelfilter, Rück-fahrbeleuchtung, Booster und Luft-schlauch…
Nun, endlich wieder „on the road“, haben wir das Gefühl, dass der Dicke erleichtert durchatmet und mit viel mehr Kraft unterwegs ist. Außerdem hat er auch weniger Durst. Sie scheint ihm gut getan zu haben, die nicht ganz einfache Operation… |
Um dem naßkalten Wetter in Buenos Aires zu entkommen, geht es - nach fünf Tagen und Nächten auf dem Hof von Andean Roads und einem Tag im tiefgekühlten Wartezimmer einer Mercedes - Werkstatt - erst mal direkt nach Norden. Wir hoffen auf Wärme oder zumindest auf ein warmes Thermalbad.
Es ist erst halb sieben, aber schon stockdunkel, als wir Colón ankommen, wo wir die Nacht am Ufer des Rio Uruguay verbringen wollen. Schock: der ganze Ort scheint von einer Schlammlawine überschwemmt worden zu sein. Nur wenige Meter hinter dem Dicken steckt Chris gleich knöcheltief im Matsch… |
So fahren wir erst am Abend weiter nach Concordia, wo wir im ca. 35°C warmen Thermalwasser dünsten… Herrlich, das fühlt sich fast an wie Urlaub.
Im Ort Mercedes ist ein Stopp beim Schrein und der Grabstätte von Gauchito Antonio Gil ein Muss. Jeder, der auf argentinischen Strassen unterwegs ist, kennt die rot geschmückten Schreine an den Straßenrändern zu seiner Huldigung. |
Im ganzen Land.
Viel weiß man nicht vom „Robin Hood“ Argentiniens, aber um ihn herum gibt es viele Legenden. Und viele Argentinier scheinen ihn regelrecht anzubeten. Um diesen Schrein gibt es Parkplatzwächter, viel Müll, noch mehr Kitsch und dazwischen noch Essensständchen…. will sagen: hier ist richtig was los. |
Inmitten kitschigster roter China-Artikel zünden die Menschen tatsächlich Kerzen an und beten…
Wer an dem Schrein und der Grabstätte vorbei fährt, muss hupen, so heißt es, sonst droht ihm Unheil. Und - obwohl wir nun überhaupt gar nicht an Gauchito Gil und die Legenden glauben, können wir es dann doch nicht lassen…. Die ersten Nächte unserer zweiten Südamerika -Tour haben wir übrigens auf städtischen Campingplätzen verbracht. |
Das sind meist zentral gelegene kostenlose Zelt- und Grillplätze, sauber, ruhig, manchmal mit Toiletten und Duschen, hin und wieder sogar mit kostenlosem Stromanschluss.
Aber wir wollen ja weiter zur „Reserva Provincial Esteros del Iberá“, einer ca. 5.000 qkm großen Wasser- und Sumpflandschaft und zugleich einer der größten Süßwasserspeicher Südamerikas, in dem viele Vögel und andere Tiere beobachtet werden können, wohin der Weg aber bei und nach Regen schwer befahrbar sein soll. |
Die erste Kilometer ab Mercedes sind asphaltiert. Feinstens asphaltiert. Und auch danach ist die Strecke problemlos zu befahren. Kein Vergleich zu ripio….
Bei anderen Fahrzeugen ist die Strecke nicht so problemlos. Aber selbstverständlich bieten wir Hilfe an, als ein Auto mit einem Plattfuß auf der Straße steht. Die wird gerne angenommen und kurze Zeit später ist Thomas mit viel Werkzeug umringt von den Argentiniern. Die Verständigung erfolgt wie immer: mit Händen und Füßen und einer Übersetzungs-App. Eine halbe Stunde später ist das Rad ab, unser Werkzeug wieder sauber verpackt und wir wieder unterwegs. |
Als es dunkel wird, sind wir noch viele Kilometer vom Ziel entfernt. Also parken wir den Dicken auf die Grünfläche vor der Zufahrt einer Estancia für die Nacht. Es ist drückend warm, fast schon heiß und Unmengen von Mücken und anderes Flattervieh schwirrt um den Dicken herum.
Kaum im Bett beginnt ein Sturm, der einem patagonischen in nichts nachsteht. |
Er rüttelt und zerrt am Dicken, so dass an Schlaf nicht wirklich zu denken ist. Dann wird's fast schlagartig deutlich kühler, dann kalt. Und dann: fängt es an zu regnen, erst leicht, dann stärker, dann stark.
Trotz aller Befürchtungen ist die Straße am nächsten Morgen naß recht gut zu fahren. Der Dicke sieht zwar spektakulär aus, als wir endlich in Carlos Pellegrini sind, das steht ihm aber gut. Es hat 8 Grad und es weht steifer Wind. |
Daher sehen wir ganz anders aus als am Tag zuvor. Gestern im T-Shirt mit Flip-Flops, heute mit dicker Jacke, Mütze und Handschuhen. Der Himmel ist bedeckt, wir buchen eine „Exkursion“ mit einem Boot für den nächsten Tag. Die Nacht verbringen wir VOR dem Campingplatz…. - durch das Tor passt unser Dicker nicht….
Jetzt wird erst mal der Ort erkundet... |
Am nächsten Morgen steigen wir dann richtig dick verpackt mit Skiunterwäsche, Mütze und Handschuhen auf das Boot.
Unglaublich, wir hatten Nachtfrost, dafür blauen Himmel. In den zwei Stunden auf dem Wasser sehen wir die süßen Wasserschweine, zwei Sumpfhirsch-Damen, ca. 20 Kaimane und unendlich viele farbenfrohe Vögel. 350 Vogelarten leben hier. Bevor wir uns wieder ans Steuer setzen, gibt´s trotzdem erst mal einen Tee zum Aufwärmen. |
Der Weg Richtung Norden soll auch nicht so leicht zu fahren sein. Und er wird uns in Erinnerung bleiben.
Viel, zum Teil tiefer, feiner Sand, z.T. eine regelrechte Off-Road Strecke… abwechslungsreich, nicht sehr spektakulär, trotzdem ein Erlebnis.
Viel, zum Teil tiefer, feiner Sand, z.T. eine regelrechte Off-Road Strecke… abwechslungsreich, nicht sehr spektakulär, trotzdem ein Erlebnis.
Wieder auf der asphaltierten Straße ändert sich die Landschaft deutlich. Bisher alles eben und eher trocken, wird es nun hügelig und tropisch. Leider hat der Kälteeinbruch viele Pflanzen gekillt. Bananen, Papaya und viele andere Gewächse lassen traurig ihre erfrorenen Blätter hängen. Passiert hier wohl nur alle 30 Jahre.
Den nächsten Stopp machen wir in Misiones. Ab 1609 errichteten Jesuiten-Priester sogenannte „Reducciones“ und etablierten dort Gemeinden für die Guarani, die Ureinwohner. Hier wurden sie missioniert und vor Vertreibung, Versklavung und Hunger vor den Spaniern und Portugiesen „geschützt“.
Ab 1767 endete die Zeit der Misiones. Viele wurden zerstört, nur in Paraguay und Bolivien wurden einige vollständig er-halten. Die Misiones Santa Ana und Loreto gucken wir uns an. Vieles wurde wirklich nicht erhalten. Trotzdem erleben wir an diesen Orten eine ganz besondere Stille und Schönheit. |
Iguazu in Argentinien oder Iguaçu in Brasilien
Iguazu bedeutet in der indigenen Sprache guarani „großes Wasser“. Ein Weltkultur oder -Naturerbe der UNESCO ist fast immer ein Garant für Unmengen von Reisebussen und völlig überhöhte Eintrittspreise - oft gestaffelt nach Herkunftsland des Besuchers. Es ist nicht immer ein Garant für ein MUST-SEE. Und Wasserfälle, nun ja… Sie sind die größten Wasserfälle Südamerikas, sie zählen den größten der Welt und eine DER Sehenswürdigkeiten Südamerikas, wir sollten sie also zumindest mal sehen… |
Überall steht das selbe: Man sollte sie von Brasilien UND Argentinien aus sehen… zuerst von Brasilien aus, am nächsten Tag von Argentinien aus… also auch zwei mal Eintritt bezahlen. Und: man braucht in Argentinien mindestens einen Tag, um alles zu sehen. Einen Wasserfall? Nun ja. Wir kommen aus Argentinien und werden sie deshalb zuerst aus Argentinien ansehen. Und ein paar Stunden reichen. Wir kommen erst gegen Mittag an, das wird ja wohl genug sein, wir sind ja „Profis“. |
Kurz vor der Zufahrtsstraße: Polizei. Die Straße ist gesperrt. Wir verstehen nicht viel, außer: viele Menschen… und Umleitung in den Ort. Nun ja, eine Pause können wir schon gebrauchen, also halten wir hinter einer großen Tankstelle. Und irgendwann kapieren auch wir: es sind Ferien, es ist Hauptsaison hier…. besser Ruhe und morgen gaaaanz früh…. Bis dahin: Reisealltag. An einer Tankstelle WiFi, kostenlose warme Duschen und Wasserhahn. Also Duschen, Wäsche waschen, Schlauch verleihen an Busfahrer, relaxen. Schön! |
Wir sind bei den Ersten am nächsten Morgen… frühstücken noch kurz auf dem Parkplatz bevor wir rein gehen, die Warteschlangen an den Ticketschaltern sind jetzt schon unendlich lang. Die Preise haben sich zu den Angaben des Reiseführers (Stand 2017 !!) für Ausländer verdoppelt.
Die Warteschlange am inkludierten Zügle ist so lang, dass wir erst die Wanderwege gehen. Gut so. Hier sind wir fast alleine… und sehen wirklich viel. Vorteil Argentinien: Besucher kommen sehr nah an verschiedene Fälle ran. Erst ganz langsam entwickelt sich in uns eine ungefähre Vorstellung, wie groß diese Fälle sind. Um dies aber wirklich abschätzen zu können, muss man sich vielleicht doch in einen Hubschrauber setzen. Die kommen aus Brasilien, fliegen aber recht hoch (Auflage der Unesco, sonst hätten die den WeltErbeStatus verloren). |
Jedenfalls schmerzt Thomas der Fuss gewaltig auf den Kilometern neben der Bahn zum Garganto Diabolo, dem Höllenschlund. Dort stehen 1,1 km Menschen auf einem Steg über den Fluss bis zur Aussichtsplattform direkt am Schlundrand. Es ist pickepacke voll, aber toll.
Die wahre Dimension des in Millionen Jahren (tja, der BER kann noch dauern) geschaffenen Monumentalwerkes merken wir aber erst, als wir am nächsten Tag mit der Wanderung an der brasilianischen Seite fertig sind und wieder in den Bus steigen. In Brasilien stimmt der Preis aus dem Loose-Führer. Bezahlt werden konnte am Automaten mit Kreditkarte, danach Scan der Tickets beim Buseinstieg, super organisiert das Ganze. Nach 10 km Ausstieg zum Wasserfallblick. Thomas mault, das haben wir doch gestern fast genauso gesehen. |
Auf dem etwa 1,5 km langen empfohlenen Wanderweg kommen wir dann aber von einem Aussichtspunkt zum nächsten und sehen die wahre Größe immer besser. Es ist wohl das größte Wasserfallsystem der Erde. Im Jahresdurchschnitt rauschen rund 1.800 cbm je Sekunde also ca. 155 Mio. cbm pro Tag ins. knapp 80 Meter in die Tiefe. Jede Sekunde ein ganzes Schwimmbad voll Wasser. Und: Die über 200 !! Fälle machen ihre eigenen Regenbögen.
Wir können der Verlockung genau wie die tausenden anderen Besucher Selfies und „wir waren da“ Bilder zu schießen, nicht widerstehen. |