Wenn wir geahnt hätten,
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Juli 2017
Wer mit einem modernen europäischen Diesel nach Südamerika will, muss wissen, da gibt es ein Problem und das heisst: Dieselpartikelfilter oder DPF. Seit Euro 4, also etwa seit 2006, müssen Dieselfahrzeuge den Feinstaub, also Ruß, filtern und nachverbrennen. Ganz am Anfang dieser Technik warb ein französischer Autobauer damit, die Luft aus dem Auspuff sei fast sauberer als die angesaugte Luft, zumindest in Städten mit Luftverschmutzung. Weisse Taschentücher wurden hinter Auspuffrohre gehalten, sie wurden nicht schwarz. Toll, oder? Damit das klappt, wird schwefelarmer Diesel benötigt, gibt es inzwischen fast überall, fast…. Viel übler: Die Nachverbrennung des gefilterten Staubes braucht viel Sauerstoff, und dieser ist ab 3000 Höhenmeter so knapp, dass mehr Russ entsteht als weggebrannt werden soll. Also setzen sich Dieselpartikel- (Russ-) Filter in grosser Höhe zu und die Steuerung des Motors schaltet auf Notlauf. Nichts geht mehr. Der Filter muss gereinigt oder ausgetauscht werden. Neu kostet das Teil gut über 1.000 Euro. Leider kann der Filter nicht einfach entfernt werden, dass merkt die Motorsteuerung auch, es fehlt Gegendruck und Temperatur beim Nachverbrennen, beides messen Sensoren vor und hinter dem Filter. Also schaltet die Steuerung bei fehlendem Filter auf…. genau: Notlauf. Nichts geht mehr, max. 20 km/h, so lesen wir von Betroffenen. Unser Dicker ist ein Sprinter 518 CDI mit Partikelfilter und deswegen hustet er manchmal, also der Motor setzt aus, stottert, läuft einfach nicht rund. Seit vier Jahren suchen wir im In- und Ausland daher regelmässig Mercedes-Benz Werkstätten oder Bosch-Dienste auf, lassen Fehlermeldungen auslesen und bekommen die Auskunft: Der Filter ist zu voll, er muss regeneriert werden. Das machen die Werkstätten dann auch, lösen also eine Nachverbrennung aus per Computer. Dann stinkt das Auto (es entstehen die beliebten Stickoxide) und danach fährt er wieder normal. Eigentlich soll dieses Freibrennen von selber passieren, mehr als 60 km/h und 10 Minuten freie Fahrt reichen schon, wenn der Motor warm ist. Selber auslösen kann man bei unserem Auto den Prozess leider nicht, der Dicke schafft es aber wohl auch nicht alleine. Wir waren mindestens fünf mal deswegen in Fachwerkstätten, kostet jedes Mal gut 200 €, zuletzt wurde dann der Differenzdrucksensor (der soll messen, wie voll der DPF ist) ausgetauscht. Da erfahren wir auch, dass es eine alternative Steuerung von Mercedes geben soll (extra für Südamerika) für Autos ohne DPF. Dann wird bei Daimler durchsucht vom Staatsanwalt, der Verdacht besteht, man habe bei den Abgasen insgesamt geschummelt. Jetzt gibt es keine alternative Steuerung mehr. Jedenfalls nicht für Kunden, egal, wofür die das brauchen. So die Fachwerkstatt. Schon verständlich. Inzwischen ist unser Dicker aber schon in Argentinien und er hat Husten! Immer wieder, auch nach zwei Werkstattbesuchen mit Regeneration. Und wir waren noch nicht mal über 1.000 Höhenmetern. Pässe nach Chile und Bolivien haben aber fast 5.000 m und die tollsten Strecken in den Anden liegen komplett über 4.000 m. Was tun? Im Internet gibt es Foren, da tauschen sich Fachleute aus, so scheint es. Diskutiert wird eher, ob es legal sei, den DPF zu leeren, angeblich könne man die Steuerung auf DPF-OFF stellen, also aus der Software rausnehmen. Konkrete Nachfragen ergeben: Nichts. Es scheint keiner wirklich zu wissen, ob das geht. Und erlaubt sei es ja auch nicht. In Argentinien baut Daimler Sprinter zu Zehntausenden…keiner von denen hat einen DPF, es überrascht also nicht, dass keiner hier wirklich Ahnung hat, ob das Ding raus kann oder wie sonst die Probleme gelöst werden können- sind ja auch nur unsere Probleme. Auf der Abenteuer und Allrad Messe in Bad Kissingen löchern wir Tuner und Ausbauer: Wie kriegen wir unseren DPF aus der Steuerung? Das Ding selber ausbauen kann jeder Auspuffdienst, entweder wird er dann ausgehöhlt oder es kommt ein Leerrohr rein. Nur das Steuergerät darf nicht meckern. Geht nicht ohne Auto, sagen die meisten. Ein umprogrammiertes Steuergerät muss angelernt werden, das geht nur mit Auto. Iglhaut, bekannter Allrad-Ausbauer, besorgt Kunden wohl ein zweites Steuergerät für ohne DPF, das kann dann im Ausland umgesteckt werden, diese Lösung kostet, so hören wir, 3.500 €. Geht aber nur, wenn das Auto vor Ort ist. Ist auch legal, bis zur Verschiffung wird „sauber“ gefahren. Was die deutschen Autobauer so sauber nennen. Wir finden erstmal niemanden, der unser Problem lösen kann, jeder bestätigt uns aber: Ja, das Problem gibt es und wir kennen es auch. Es traut sich aber kaum einer ran. Google ist ja ein Freund für solche Themen…es bieten einige Programmierer Lösungen an, also mal alle anschreiben. Über einen erfahren wir, dass er wohl was kann, aber sehr unzuverlässig sei. Wir haben ja durch unseren Reiseblog auch Kontakte zu anderen Sprinterfahrern. Deren schlechte Erfahrungen müssen wir nicht unbedingt wiederholen. Ein anderer Anbieter reagiert, letztlich muss er aber auch das Auto haben, nicht nur das Steuergerät (das kann man recht einfach ausbauen und wir fliegen ja ab und zu hin und her). Ein Anbieter ruft spätabends an, er denkt, wir seien in Argentinien und da ist es ja 5 Stunden früher. Da denkt einer mit… und er behauptet, eine Lösung zu haben. Nach weiteren Gesprächen hören wir erstmals von einem OBD-Flasher. Damit soll man ein Steuergerät auslesen, die Software per Mail versenden, die geänderte Software per Mail erhalten und diese dann einspielen können. Alles am Laptop. Und theoretisch kann die alte Software auch wieder draufgespielt werden. Wir fahren nach Münster, den Betrieb wollen wir sehen. Ein KFZ-Meister und ein Ingenieur versichern, unser Problem lösen zu können….und das Auto darf in Südamerika bleiben. Wir bekommen einen Flasher mit, die Spannung steigt. Wenn das klappt, wird unser NCV 3 Sprinter ein Weltreisemobil. Schon lange wissen wir, dass für Fernreisen alte Diesel ohne Abgasreinigung gesucht sind, möglichst auch ohne Elektronik. Besonders problematisch sind alle Autos mit DPF oder sogar AdBlue Bedarf. In Buenos Aires springt unser Dicker sofort an, auspacken, Flasher an die OBD-Buchse anschliessen (vorher noch Treiber im Windows-Notebook installieren) und es geht los. Eine 2 MB Datei geht per Mail nach Münster auf den Weg. Am nächsten Tag kommt eine ähnliche Datei wieder, wird eingespielt und… der Motor startet. Aufatmen- hätte ja auch anders aussehen können. Ganz am Anfang hat er noch zweimal ein Hüsterchen gebraucht. Seither haben wir beide das Gefühl, es geht unserem Auto wie einem abstinenten Raucher. Mehr Kraft, weniger Schnaufen, kein Husten mehr. Und stinken tut er auch weniger! Einen Nachtrag machen wir noch, wenn wir den Verbrauch an Diesel gerechnet haben. Dafür wollen wir aber schon ein oder zwei Tanks leer fahren. Natürlich sind wir gespannt auf Fahrten in die Höhe und werden dazu berichten. Zusetzen kann sich jetzt aber nichts mehr. Der Oxidationskatalysator reinigt noch, Euro 3 wären wir jetzt in Europa. Den DPF können wir jederzeit wieder einbauen (lassen….) und die Software haben wir jetzt in zwei Versionen auf dem Rechner. Kann das Leben schöner sein? Ach übrigens, falls es interessiert: Die KFZ-Steuer ist für Fahrzeuge mit Euro 3, 4 und 5 gleich hoch. Hätten wir früher gewusst, wie einfach das alles sein kann……. Wer schon unterwegs ist: Wir können Hilfe vermitteln und haben den Flasher. Wer los will, einfach mal autoteam.ms googeln. Kann was kaputt gehen? Ein Teamleiter vom Daimler (studiert und promoviert, hochseriös) sagt ganz privat: Nein. |