„Stopp!“ Chris schreit so laut sie kann gegen das Brummen des Schiffsmotors an. Gegen 23.00 Uhr versuchen wir den Dicken vorbei an messerscharfen Haken auf die andere Seite eines Viehpontons zu bugsieren.
Der Kapitän der „10 de Março“ und einige Arbeiter dirigieren Thomas und unterlegen Holzkeile an den Stellen, an denen ein Ausweichen unmöglich ist. Chris versucht, die vielen Anweisungen zu checken. Das wenige Licht spenden ein paar Taschenlampen und der Vollmond. |
Nach zwei Tagen und zwei Nächten auf einem Viehponton fährt Thomas den Dicken in Porto Jofre langsam über zwei Holzbohlen auf das sandige Ufer. Zwei Tage und zwei Nächte über den Rio Paraguay und den Rio Cuiabá, von Corumbá bis Porto Jofre - entlang der Grenze zu Bolivien.
Einiges hatten wir gehört über die Überfahrt: eintöniges Essen, waghalsige Auf- und Abfahrten auf die Pontons. Aber trotzdem: dieses Abenteuer mitten durch den oder das Pantanal wollen wir erleben. Auf jeden Fall. |
In Corumbá hatten wir aber erst andere Aufgaben. Die vorderen Iglhaut Querblattfedern waren beide gebrochen und vor einer erfolgreichen Reparatur wollten wir nicht auf´s Schiff.
Denn Porto Jofre ist nicht nur das Ende unserer außergewöhnlichen „Flußkreuzfahrt“, es ist auch das Ende der Transpantaneira, einer der ganz wenigen Straßen in das oder durch den Pantanal. Natürlich nicht asphaltiert. Und die wollen und müssen wir befahren, mit einem funktionierenden Dicken. |
Deshalb haben wir nur sehr wage eine Fahrt für Samstag reserviert, vier Autos, je 2.000 BRS.
Tatsächlich fahren wir mit geschweißten Querblattfedern schon am Donnerstagabend vom Hof einer Werkstatt. Ein Tag Arbeit für ca. € 100,—. Glücklich und sehr zufrieden laufen wir durch Corumbá und zufällig Claudia, Uwe und Hund Mia wieder über den Weg. Große Wiedersehensfreude… Die Autos stellen wir auf einen Parkplatz am kleinen Hafen. Das ist zwar auch der Platz, an dem sich die Jugend abends zum Sonnenuntergang und nachts zum Musik hören trifft, aber auch schön für zwei Womos. |
Am Freitag Abend ist am kleinen Hafen plötzlich viel los. Wir hatten schon den ganzen Tag beobachtet, wie ein Ponton beladen wird. Aber jetzt: Laute Musik, viele Menschen, viel Bier - und wir natürlich mittendrin (und warum auch immer: Fotos gibt es keine...)
Zum Schluß fahren noch zwei Autos auf abenteuerliche Weise quer auf den Ponton. Dann wird ein Ponton an den nächsten gehängt und beide vorne am Schiff befestigt. Der Tiefgang ist beeindruckend, der Alkoholpegel der meisten Mitreisenden auch. Uns vier fasziniert die Art und Weise der Arbeit. Sie dauert über Stunden. Es geht langsam und leise zu. Kein Drängeln, kein Schreien. Trotzdem zielstrebig. |
Da der Mann, bei dem wir vage die Mitfahrt reserviert haben, nicht mehr aufzufinden ist, fragt Thomas beim Boss der Beladung, ob er auch uns mit-nehmen würde. Würde er. Für 4.000, vielleicht auch 3.000. Wir entscheiden, trotzdem erst mal den Samstag abzuwarten. Quer auf dem Ponton stünden wir auf jeder Seite etwa einen Meter über.
Prompt und wider Erwarten steht der Mann unserer Reservierung am Samstag früh vor dem Dicken. Die Reservierung steht noch, das Schiff fährt aber erst am Sonntag. So genießen wir den Samstag zu viert mit Mia nochmal in vollen Zügen, bummeln durch die Innenstadt, gehen Eis essen und shoppen. Abends wird dann zusammen Filet Mignon gegrillt bevor wir am Sonntag pünktlich um 11.00 Uhr in der prallen Sonne auf die Auffahrt auf einen Ponton warten. Wir wären nicht in Südamerika, wenn um 11.00 Uhr irgendwas passiert wäre. Erst ist die „10 de Março“ da, dann weg, dann -nach Stunden- wieder da. Erst gegen 15.00 Uhr werden wir über zusammengebundene Holzbohlen auf den Ponton bugsiert. Der Kapitän gibt klare Anweisungen.
Bis der Dicke endlich am gewünschten Platz steht, sind wir beide klatschnaß geschwitzt. Gott sei Dank haben die Holzbohlen gehalten, Gott sei Dank haben wir keinen dieser eckigen Haken übersehen. Sonst wäre ein Reifen platt oder Schlimmeres passiert. Wir haben richtig Glück. Der Ponton wird längs befahren, nicht quer wie die, die wir zwei Tage zuvor beobachtet haben. Das gibt ein sicheres Gefühl, denn die Pontons sind nur unwesentlich breiter als der Radstand des Dicken.
Jetzt haben wir sogar etwas Platz neben und auch vor dem Dicken, können Tisch und Stühle raus stellen. Fast wie Camping an Bord, allerdings mit Viehgatter drumrum und noch etwas Geruch nach Kuh… |
Dafür Vollpension… und der Koch gibt sich alle Mühe, uns zu mästen. Kurz vor 7 starken, süßen Kaffee und Brötchen gefüllt mit Rührei, gegen 11.00 Uhr Mittagessen mit Spaghetti, Reis, Fleisch, Bohnen, Speck und Salat.
Um 17.00 Uhr gibt es Abendessen, natürlich wieder warm. |
Der Koch packt auf die Teller, was er drauf bekommt. Das Essen schmeckt und als gut erzogener Deutscher isst man seinen Teller leer. Und was der Mann in der kleinen Küche an Varianten und Mengen zaubert. Toll.
Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Einfache, ehrliche, brasilianische Küche. |
Nur den Fisch, den wir in der Küche gesehen und auf den wir uns gefreut haben, den bekommt wohl nur die Mannschaft, wir leider nicht.
Als wir gegen 17.00 Uhr endlich ablegen, sind wir etwas traurig, denn kurz nach 18.00 Uhr wird es dunkel und wir wollten doch rausgucken…. |
Das tun wir dann am nächsten Tag. Es ist wunderschön, das Wasser braun, das Ufer wie eine grüne Mauer. Undurchdringlich. Tiere sehen wir wenige. Keine Kaimane, wenig Vögel. Die Landschaft ändert sich wenig. Erst als wir kurz vor der Abbiegung in den Rio Cuiabá sind, sieht man Berge im Hintergrund, die wir im größten Sumpfgebiet der Erde nun wirklich nicht erwartet haben.
Was wir auch nicht erwartet haben, ist die verhältnismäßig hohe Anzahl an Gebäuden am Ufer. Immherhin: man kommt hier nicht mit dem Auto her. Es gibt nur den Wasserweg. Wir sehen auch einige kleine Flußkreuzfahrer, die wohl brasilianische Angler auf den Fluss an der Grenze zu Bolivien bringen. Viele Fazendas können nur über den Wasserweg ver- und entsorgt werden. Zur Erinnerung: Das Pantanal ist etwa so gross wie Westdeutschland. In der zweiten Nacht schrecken wir durch einem Schlag beide auf. Wir scheinen auf Land gelaufen zu sein. Es quietscht und knarzt. Innerhalb von Sekunden ist Thomas angezogen und auf dem Ponton. Als er nach ein paar Minuten wieder ins Bett steigt, erzählt er von einer Abkürzung, auf dem Navi gut zu sehen. Man will wohl mit den Schiffen und Pontons nicht die Herzform des Flusses ausfahren, sondern nimmt eine Abkürzung. Auf dem Navi sieht es aus, als würden wir über Land fahren. Kein Wunder, dass wir aufgeschreckt sind. Tiere sehen wir erst wieder jetzt auf dem Rio Cuiabá. Hier liegen zahllose Kaimane am Ufer, wir sehen große Vögel, storchenartige und Reiher. Dabei hatten wir so auf Papageien und Jaguare gehofft. Die Zeit verbringen wir mit Gucken, Nichts tun, Lesen, Schlafen und Essen. Oft musste ich an den Satz von Oskar Wilde denken: „Nichtstun ist die allerschwierigste Beschäftigung und zugleich diejenige, die den meisten Geist voraussetzt.“ Sehr vertrauenserweckend sehen die Holzbohlen nicht aus, über die Thomas den Dicken auf das sandige Ufer bugsiert. Und vorher noch mal in Schrittgeschwindigkeit über den Ponton, dessen viele Verankerungen uns mit kaputten Reifen drohen. In Porto Jofre stehen wir letztlich um 23.30 Uhr auf der Transpantaneira, gönnen uns bei 28°C ein Feierabendbier und schlafen ruckzuck ein. |