die lange Straße in den Chaco... |
Der Rio (Fluss) Paraguay trennt den regenreicheren Südosten von unserem Ziel, dem trockenen Nordwesten des Landes. Mit der Fahrt über die lange Brücke beginnt unsere Fahrt in und durch den Chaco.
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Eine sehr trockene und heiße Gegend. Als die Mennoniten Russland und Kanada verlassen haben, hat Paraguay ihnen dieses Land angeboten.
Den Siedlern wurde zugesichert, dass sie ihre eigene Religion, Sprache und Schulen betreiben konnten - und keiner Wehrpflicht unterliegen. |
Natürlich leben hier auch Indigene, die inzwischen für die Mennoniten arbeiten und daher sogar zuziehen. Löhne, aber auch Kosten sind hier höher, als im Rest des Landes. Langsam wurde eine große Industrie aufgebaut.
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Mehr als 180.000 Rinder (die Zahlen variieren) werden jährlich geschlachtet und sorgen für hervorragendes Fleisch und leckere Wurst. 80% des Fleisches wird exportiert.
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in den Chaco... |
Die Mennoniten sprechen in der vierten Generation noch immer Platt- und Hochdeutsch, aber natürlich auch spanisch in diesem staubigen, fast unwirtlichen Ort.
Wir fahren über die 400 km lange asphaltierte Straße bis nach Filadelfia. Rechts und links der Straße sehen wir sumpfiges Gebiet, Dornen- und Gestrüpp. Hin und wieder eine Tankstelle. |
Mitten im Nirgendwo fahren wir an einer kleinen Polizeistation vorbei, vor der wohl - seit vielen Jahren - beschlagnahmte Motorräder vergebens auf ihre Abholung warten und vor sich hin rosten.
Ein Polizist bewacht sie im Schatten sitzend und Fussball guckend. (auf dem Handy) |
ein Schlagloch übersehen... |
Die Straße ist stark befahren. Viele mit Rindern beladene LKW kommen uns entgegen. Man muss sehr vorsichtig fahren, denn hin und wieder gibt es große Schlaglöcher. Chris übersieht prompt eines davon. Es gibt einen Schlag und Thomas ruft: "Halt an. Irgendwas stimmt nicht."
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Das tut es wirklich nicht. Thomas bockt den Dicken hoch und stellt fest, dass ein Domlager ausgebrochen ist. Dass wir so noch fahren können, glauben wir nicht. Es sieht wirklich spektakulär aus.
Muss ein Materialfehler gewesen sein, die Dinger hatte wir gerade erst ersetzen lassen. |
Danke... |
Fast auf der ganzen Strecke haben wir Internet, so auch hier. Wir bitten um Hilfe und bekommen sie. Roberto organisiert das Ersatzteil, Kari und Walther bieten an, es zu bringen. René weiß, dass die Linien-Busse Ersatzteile mitnehmen.
Von Marion und Walter bekommen wir die Info, dass wir auch ohne Stossdämpfer fahren können. Was sich anfangs wie eine Katastrophe anfühlt, ist irgendwann gelöst. Der Dicke fährt stabil. Wir kommen langsam, aber gut und sicher nach Filadelfia. Was für ein Gefühl… Wir wähnen uns verlassen am Ende der Welt und plötzlich bekommen wir Hilfe... |
Vielen, vielen Dank an Roberto, Ricky, Walther, Kari, René, Walter und Marion!l!!
Am Ziel liegt zwischenzeitlich bei Ricky (einem Freund von Roberto) unser neues Domlager. Ricky hat schon einen Termin bei einer Werkstatt vereinbart und dort wird schnell, gut und günstig (14,70 €) repariert. In der Zwischenzeit zeigt uns Ricky seine Trinkwasseranlage. Er pumpt salziges Wasser aus der Tiefe nach oben, entsalzt es und reichert es mit Mineralien wieder an (Umkehrosmose). Er verkauft sein Wasser in großen Tankanlagen oder 20 Liter Bomben. |
im Hotel Florida... |
Am Hotel Florida warten Marion und Walter schon auf uns. Jetzt erst mal zum Abkühlen in den Pool…
...und schon sieht die Welt wieder anders aus. Marion und Walter wollen Reisebegleitungen für Allradfahrzeuge im Chaco und in Brasilien anbieten. Wer nicht ganz alleine fahren will, sollte sich das mal anschauen. MEHR |
Dann folgt der erste Abend und die erste Nacht mit Klimaanlage im Dicken.
Das ist wahrer Luxus. Wir können die Fenster geschlossen lassen und uns so vor den (gefühlten) Milliarden Stechmücken schützen. |
im Supermarkt... |
Und es wird jeden Tag heisser, 38 Grad tags, 25 nachts… das lässt sich beides noch um drei bis vier Grad steigern. Und unsere Klimaanlage hält das Auto bewohnbar. Klasse.
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Wir geniessen die Zeit trotzdem, essen ab und zu im Florida-Restaurant feine Salate, gehen shoppen im nagelneuen Supermarkt auf der anderen Strassenseite.
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sehenswerte Museen... |
Mehrere Museen informieren uns gründlich über die Geschichte der Mennoniten und der Kolonien aber auch über die Flora und Fauna hier.
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spannende Geschichte... |
Lustiges Detail am Rande: Die Bewohner der drei Hauptorte nennen sich gegenseitig „Kanadier“ in Lomo Plata, „Russen“ in Filadelfia und „Flüchtlinge“ in Neuland- fast alle sind Paraguayer, die Plattdeutsch miteinander reden.
Miniabriss zur Geschichte: In der Reformationszeit ab 1525 gab es eine Täuferbewegung. (Wieder-)Täufer wurden verfolgt und unterdrückt. In der Gläubigen- bzw. Erwachsenentaufe wurde eine Gefahr für die Autorität von Staat und Kirche gesehen. Luther sah in den Täufern Rottengeister und Ketzer, sie sollten abgeurteilt werden. Todesstrafe drohte ab 1529 durch das Wiedertäufermandat. |
Ab 1715 bis 1815 verliessen viele der nach Menno Simons benannten Mennoniten (Gläubigentäufer) ihre Heimat und wanderten über Ostpreussen nach Russland (heutige Ukraine) sowie nach Nordamerika aus.
Eine erste Welle migrierte (nach Einführung allgemeiner Wehrpflicht 1870) ab 1874 nach Kanada (und von da ab 1926, als sie zum Wehrdienst verpflichtet wurden und englisch sprechen sollten, weiter nach Paraguay), eine spätere 1929 von der Krim und der Ukraine direkt nach Paraguay, teilweise über den Amur und China. |
Mennoniten in Paraguay... |
Die letzte Welle floh dann gegen Ende des zweiten Weltkrieges vor den nach Westen vorrückenden russischen Truppen und wohl auch vor den Nazis, daher die drei oben genannten Gruppen bzw. Selbstbezeichnungen der Kolonialisten.
Warum nahm Paraguay die Mennoniten auf? Na ja, in Russland waren sie erfolgreiche Landwirte gewesen und deshalb als Grundbesitzer verhasst bei den Bolschewiken. Das Chaco war fast unbesiedelt und es drohten Gebietsansprüche vom Nachbarland Bolivien. |
Kaum waren die Neusiedler da, kam es denn ab 1932 auch zum Chacokrieg, Bolivien wollte einen Zugang zum Rio Paraguay und damit zum Meer. Das Gran Chaco, eine eher wirtschaftlich unbedeutende Einöde, wurde drei Jahre lang heftig umkämpft (100.000 Kriegstote).
Ein deutscher General Kundt versuchte, die nicht sehr erfolgreichen Bolivianer neu zu ordnen. Letztlich kämpften die Paraguayer erfolgreicher, die pazifistischen Mennoniten trugen allerdings nur mit Erzeugung von Nahrungsmitteln, besonders Kartoffeln, zum Kriegserfolg bei. |
Besuch einer Versuchsstation... |
Die Siedler mussten enorme Schwierigkeiten überwinden, es fehlte Wasser und Strom, es gab keine Strassen, keine Steine und kein Finanzsystem…. nur Bäume aus tollem Holz und dorniges Gestrüpp mit giftigen Schlangen darin.
Grundlagen wurden genossenschaftlich aufgebaut, daneben gab es Privateigentum. Die harte Anfangszeit führte langfristig zu einem ziemlichen Aufschwung. Die Kolonien haben mit den Kooperativen ein eigenes Gemeinwesen geschaffen. Straßen und Wege wurden gebaut, Schulen, Kirchen, Krankenhäuser, Altenheime, Apotheken, Museen, Buchhandlungen und sogar Hotels und Supermärkte werden von den Kooperativen aufgebaut und betrieben. |
Zusätzlich verkaufen sie auch Versicherungen und Kredite und bieten eine technische Beratung und Vermarktung. Schlachthöfe und Milchwerke werden von den Kooperativen betrieben.
Die Gemeinschaftseinrichtungen werden über Abgaben vom Einkommen finanziert. In „Versuchsstationen“ wurde und wird erforscht, was in dieser trockenen und heißen Gegend am Besten angebaut werden kann und auch, welche Rinderrassen zur Fleisch- und Milchproduktion am Besten mit den Gegebenheiten klar kommen. Eine der Versuchsstationen dürfen wir besichtigen und die beeindruckenden Zuchtbullen und Zuchthengste bewundern. |
Führung im Industriewerk... |
In Industriewerken wurden und werden zentral Produkte verarbeitet. Hier wurde auch Strom erzeugt. Seit vom Staudamm Itaipú der Strom geliefert wird, werden nur noch die Notstromaggregate gewartet und für Stromausfall bereit gestellt.
Tanja organisiert für uns eine Führung durch das Industriewerk von Loma Plata, in dem Erdnussöl gepresst, |
Baumwolle verarbeitet, Kraftfutter hergestellt und feinstes Aroma-Öl aus den Stämmen und Ästen des heiligen Baumes Palo Santo gewonnen wird, das dann an die Kosmetikindustrie verkauft wird.
Allein die gebröselten Holzabfälle riechen so gut, dass wir um eine Tüte davon bitten - und gleich einen ganzen Sack davon geschenkt bekommen. |
Besuch eines Milchwerks... |
Auch ein Milchwerk dürfen wir uns ansehen. 480.000 l Milch werden täglich in (oft süsse) Produkte verwandelt. Was wir nicht wussten: um einen Liter Milch zu verarbeiten, werden zwei Liter
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Wasser (für Reinigung) gebraucht. Das Milchwerk produziert viel Milchpulver. Das dabei entstehende Wasser deckt einen Großteil des Bedarfs.
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zur Laguna Capitán... |
Nach der Besichtigung fahren wir für die Nacht weiter zur Laguna Capitan: hier kann man in der Nähe einiger Lagunen stehen und in einem kleinen See sogar baden.
Am Abend ziehen Wolken auf, man sieht viele bunte Vögel und wir können |
wirklich schöne Fotos machen (so finden jedenfalls wir). Sogar ein Fuchs lässt sich ablichten.
Wir sind alleine auf dem Platz und es wird ganz schön gespenstisch, als es abends zu regnen anfängt und der Strom und damit alle Leuchten ausgehen… |