Straßen im Chaco... |
„Ohne fremde Hilfe kommen wir da wahrscheinlich nicht wieder raus…“ Thomas zieht die matschigen Schuhe aus und lässt sich frustriert aufs Sofa fallen. Das wird wohl eine Nacht direkt neben der Strasse. Na ja, Autos fahren nicht, warum auch?
Entfernungen im Chaco sind anders, als wir Europäer das gewohnt sind. Die Orte Filadelfia und Loma Plata liegen - zumindest auf unserer Karte - eng beieinander. Um von A nach B zu kommen - selbst innerhalb eines Dorfes - ist man aber ganz schön unterwegs. Also jetzt 30 km Erdstrasse. |
Die Straßen wurden von Beginn an 30m breit geplant. Die Landschaft ist eben und so sind eigentlich alle Straßen kerzengerade und im Schachbrettmuster angelegt. Selbst wer nur seinen direkten Nachbarn besuchen möchte, muss ganz schön laufen, da die Grundstücke ja auch groß sind.
Die Haupt-Durchfahrtsstraßen im Ort sind asphaltiert, alle anderen Straßen sandig und staubig. Nach unserem Besuch in Loma Plata bietet sich eine Übernachtung an der Laguna Capitán an. Hier haben Susan und Peter eine kleine Herberge, die sie meist an Gruppen vermieten. In einer der Lagunen kann man schwimmen. Hier soll es viele Tiere zum Gucken und WLAN geben, also wie für uns gemacht. |
an der Laguna Capitán... |
Wir sind die einzigen Gäste und können uns einen Platz für den Dicken auf der riesigen Wiese aussuchen.
Es ist Regen vorhergesagt, viel Regen. Das ist einer der Gründe, warum wir immer noch im Chaco sind. Regen ist sehr wichtig, zur Zeit ist Regenzeit und dafür ist es zu heiß und viel zu trocken. Die Straße nach Bolivien besteht einige Kilometer ausschließlich aus Schlaglöchern. Das muss bei Regen nicht sein. Die sandigen und staubigen Wege des Chaco werden nass zu Rutschbahnen. Der nasse Staub wird wie Schmierseife, setzt sich in das Profil der Reifen und los geht die Rutscherei, so erzählt es |
Ricky Hockh, unser erster Kontakt in Filadelfia.
Aber so weit ist es ja nun auch nicht bis zur Laguna Capitan. Und außerdem haben wir ja einen tollen Dicken. Susan und Peter, die Betreiber des Stellplatzes fahren über Nacht weg, wir sind also ganz alleine hier. Als es dämmert, marschieren wir bepackt mit den Fotoapparaten zu den Lagunen. Hier leben auch Kaimane. Ganz schön mutig springt Thomas in eine der Lagunen. Ausser den Vögeln hört man nichts. Gar nichts. Was für ein Frieden und was für eine Kulisse. Auf dem Rückweg lässt sich sogar ein Fuchs fotografieren. |
endlich Regen... |
Im Dicken wollen wir eigentlich den Strom und das WLAN nutzen. Fotos sortieren, Berichte schreiben und so. Aber kaum sehen wir erste Gewitterwolken am Horizont, fällt der Strom aus und damit auch das Internet. Die Stimmung ist ein bisschen gruselig, es ist stockdunkel, in der Ferne sieht man hin und wieder Blitze. Als Thomas draussen unsere Stühle wegräumt, sieht er in der Dunkelheit im Schein der Taschenlampe viele Augenpaare rot aufblitzen.
Dann fängt es - endlich - an zu regnen. Susan hatte uns versprochen, die Gebühr für die Übernachtung zurück zu geben, wenn es wirklich regnet. Alle warten hier auf Regen. Eigentlich ist jetzt Regenzeit. Dafür ist viel zu heiß und viel zu trocken. Die ersten Ernten wurden deshalb schon abgeschrieben, so hat man uns erzählt. |
Mit dem Regen fallen die Temperaturen. Wie herrlich… in Deutschland freuen sich alle über endlich 20°C Wärme, wir freuen uns über endlich 20°C Kühle in der Nacht. Und so schlafen wir herrlich in dieser Nacht. Und könnten es prompt hier noch eine Weile aushalten, aber wir sind ja wieder mit Tanja in Loma Plata verabredet.
Das ist ein anderer Grund, warum wir noch immer im Chaco sind. Tanja Neufeld vom Tourismusbüro möchte und kann uns noch so viele interessante Menschen und Dinge der Kooperative zeigen und wenn wir schon einmal so eine Chance haben, nutzen wir sie auch. Also fahren wir los, obwohl noch alles nass ist. |
auf Rutschbahnen... |
Der Weg zwischen den großen Lagunen ist so rutschig, dass wir schon dort bereuen, überhaupt im Auto zu sein. Da hilft kein Allrad, keine Untersetzung, keine Sperren. Der Dicke rutscht, nicht viel, da ja alles mehr oder weniger eben ist, aber er tut es….
Wir tun das, was uns bisher geraten wurde. Anhalten. Abwarten. Und weil der Weg eigentlich nicht befahren ist, stören wir auch niemand. Nur, übernachten wollen wir hier - zwischen den beiden Lagunen mitten auf der Strasse auch nicht. Nachmittags beginnt es wieder zu regnen und die Lagunen füllen sich langsam mit Wasser… Am Nachmittag ist Thomas mit seiner Geduld am Ende. |
Er lässt ordentlich Luft ab, Sperren an und prompt geht es ganz gut weiter. Eigentlich wollten wir wenige Meter weiter dann übernachten, aber finden keinen Platz…
So findet der Dicke schließlich selbst den Übernachtungsplatz. Irgendwann schlindert er langsam aber überzeugend von der Straße. Keine Chance gegenzulenken, es geht in die Wiese. Mit zwei Reifen steht er nun im Schlamm. Jetzt helfen wahrscheinlich nur noch Schneeketten oder fremde Hilfe. Aber bei Regen und Matsch jetzt die Ketten aufzuziehen, dazu haben wir überhaupt keine Lust. Thomas hat sich den Schlamassel von aussen angesehen, daher die verschlammten Schuhe vom Anfang. |
wieder frei... |
Einschub: Thomas liest ein paar Tage später, dass die hintere Sperre unser Wegrutschen verursacht haben könnte: Nur wenn die Bodenhaftung der hinteren Reifen UNGLEICH ist, macht die Sperre Sinn. Egal ob wegen Gewichtsunterschieden oder Untergrund. Wenn beide Reifen gleich schwer belastet sind UND beide im gleichen Schlick fahren: Keine Sperre anmachen. Wieder was gelernt.
Wir „entscheiden“ uns fürs Warten, oder besser fürs Übernachten hier. |
Der Regen soll wieder aufhören und für den kommenden Tag ist schon wieder blauer Himmel vorhergesagt.
Obwohl alles noch ziemlich matschig ist, fährt Christin den Dicken am nächsten Mittag ganz entspannt wieder auf die Straße und nach Loma Plata. Thomas filmt und das Video wird enttäuschend unspektakulär. Unsere neuen Sandbleche waren zwar das erste mal im Einsatz… aber ob wir sie wirklich gebraucht hätten? Jedenfalls sieht das Auto spektakulär aus, eine Schlammkruste bis unters Dach. |
Danke, Tanja... |
Gott sei Dank nimmt sich Tanja auch heute Zeit für uns. Sie zeigt uns erst einen superinteressanten Film über die Fleischfabrik, die wir in Natura leider nicht besichtigen können. Fleisch aus Paraguay gehört zum besten der Welt!
Danach fahren wir zu einer Organisation, die sich um die Kooperation mit den Indigenen kümmert. Wir lernen, dass hier doch meist Indianer gesagt wird und die Mennoniten Wert darauf legen, dass es |
den Ureinwohnern besser geht als ohne Zuwanderer.
Norman Töws erklärt uns die Art der Projekte und fährt danach mit uns in eine Indianersiedlung. Die Mennoniten wollen, dass auch die Indianer an ihrem Wohlstand teilhaben. Deshalb unterstützen sie sie in vielen Bereichen. Wir sehen den kleinen Laden, der von den Indianern selbst, aber unter der Führung der mennonitischen Organisation geleitet wird. |
bei den Indigenen... |
An der nächsten Station lernen wir Brigido Löwen kennen, der die standesamtlichen Aufgaben übernimmt und gleichzeitig die Übersetzung der Bibel in die Indianersprache überarbeitet. Er ist Indigener, oft schlichtet er als Mediator Streitigkeiten im Dorf. Sehr sympathischer Kerl.
Indianer glaubten - bevor die Mennoniten kamen - an Geister. Die meisten leben seit ihrer Missionierung nach eigenen Angaben befreiter und angstfreier, so erzählt Norman und bestätigt Brigido. Dann zeigt er uns das neue Krankenhaus (mit Kreissaal!) mit angeschlossener Apotheke für die Indigenen. Es ist klein, hell und übersichtlich, riecht wie ein deutsches Krankenhaus und liegt in der Nähe der Siedlung. |
Grund und Boden haben die Mennoniten gespendet, gebaut haben die Indigenen das Gebäude selbst, hören wir.
Krankenschwester Selma Wiebe erläutert und zeigt uns alles, zu Recht durchaus stolz auf die Qualität der Versorgung. Wenn große Geräte gebraucht werden, werden die im Krankenhauses in Loma Plata genutzt. Nicht selten ist das Krankenhaus auch Hospiz. Wenn früher die ganz Alten nichts mehr zu sich nahmen, um zu sterben und der Gruppe nicht zur Last zu werden, bringen die Familien sterbewillige Senioren heute ins Krankenhaus. Früher wurden hochbetagte Senioren durchaus auch mal zurückgelassen, wenn der Stamm weiter zog….heute bekommen sie vom Staat eine kleine monatliche Rente. |
Schutz vor Überschwemmungen... |
Norman zeigt uns zum Abschluss den neu errichteten Damm, der den Ort Lomo Plata vor Überschwemmungen bewahren soll.
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So ist das in trockenen Gegenden: den grössten Schaden richten Überschwemmungen an.
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was für eine Gastfreundschaft.... |
Nun hat Tanja noch eine ganz besondere Überraschung für uns. Sie fährt mit uns zu ihren Schwiegereltern Elfriede und Oskar, die uns ganz herzlich begrüßen.
Elfriede und Chris sind fast gleich alt und wir alle verstehen uns sofort. Die beiden Töchter Tabea und Carolina sind auch da und wir werden mit selbst gemachter Limonade und weißer, erfrischender Guave / Guayaba - direkt geerntet - verwöhnt. |
Elfriede zeigt uns stolz ihren Obstgarten, insgesamt haben die beiden die Kleinigkeit von gut 43 Hektar Gartenland, allerdings teilweise verpachtet.
Wir bekommen Orangen (grün, aber lecker), viele Zitronen für Limonade, eine Pomelo und ein paar Pflaumen mit. Danke dafür, alles lecker! Und Danke für diesen wunderschönen Abend mit und bei euch... |
Besuch bei den Pekaris... |
Dieser Pflichtbesuch gehört noch zum Chaco. Pekaris - Nabelschweine. Sind wohlschmeckend und bieten geschmeidiges, haltbares und wärmendes Leder (lt. Wikipedia) - deshalb gibt es nicht mehr viele von ihnen in freier Wildbahn.
Beim Fortín Toledo werden sie gezüchtet. Klar, müssen wir da auch hin. Hier kann man alle drei Gattungen begucken... die Weißbart-, die Halsband- und die Chaco- Pekaris... |
Gleich daneben erinnert eine Tafel an die Helden und ein Schlachtfeld aus dem Chacokrieg (Fortín Toledo). Schwer vorstellbar, dass die Soldaten vor nicht mal 100 Jahren in solchen Löchern auf den Feind gewartet haben….
Der Weg zum Fortín führt durch richtig tiefe Schlammlöcher... die meistert der Dicke bravourös... - gut, dass wir ihn vorher nicht haben waschen lassen... |
Tschüss, Paraguay... |
Und dann verabschieden wir uns von diesem kleinen, unscheinbaren, aber
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doch so interessanten Paraguay in Richtung Bolivien…
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