Als wir in Hornopirén von der Fähre fahren, brauchen wir vor allem eines: Internet. Im Pumalin Park gibt es kein „Entel“-Netz, dafür soll es am Fährgebäude freies WLAN geben. Tut´s uns auch. Doch das Netz ist eine echte Enttäuschung.
Da können wir auch gleich auf den bei IOverlander empfohlenen Stellplatz außerhalb der Stadt an einem Fluss fahren. |
Und hier ist es so schön und so ruhig, dass wir richtig fleißig sind. Der Keller des Dicken wird komplett ausgeräumt, alles wird geputzt und gewienert.
Thomas repariert hier und schraubt da. Auch das muss mal sein - und ist am Ende der Ripio (dt. Schotter/Schutt) -strecke oder besser Wellblechpisten auch nötig und sinnvoll. Thomas baut außerdem probeweise unser Zelt auf - denn wir wollen noch einmal die Wanderschuhe schnüren. |
Unser nächstes Ziel ist La Junta, im Cochamó Tal, das man nur zu Fuß oder reitend erreichen kann. Das Tal ist (noch) ein Geheimtipp unter Kletterern und wird als Yosemite Chiles gehandelt.
Es soll ein Beispiel für sanften Tourismus sein, so lesen wir, da die hier lebenden Bauern in das Projekt eingebunden sind. Vorher müssen wir nochmal durch Hornopirén und fahren dort zufällig an einem LKW vorbei, von dem ein netter Kerl Obst und und Gemüse verkauft. Super, erst gibt er Chris eine Tomate in die Hand zum Testen, dann prüft er jede einzelne sehr genau, bevor er sie in die Tüte legt. |
Hier bekommen wir eine tolle Qualität, davon ist auch Thomas überzeugt, der das Ganze aus dem Dicken beobachtet. Dann noch Nektarinen, Bananen und Orangen und alles zu sagenhaft günstigen Preisen. Am Abend dann die Ernüchterung: die Tomaten schimmeln zum Teil bereits, die Nektarinen sind auch schon ziemlich weich, nur die Bananen und die Orangen sind o.k..
Was noch dazu kommt: die Straße nach Cochamó ist wirklich besch…. Im Schneckentempo kommen wir nur langsam voran, weichen Schlaglöchern aus und müssen oft an Baustellen halten. Es staubt wieder. Warum haben wir eigentlich alles sauber gemacht? Nicht fragen - weiter. |
Unterwegs soll es noch eine Brücke geben, die nur für max. 3 Tonnen zugelassen ist (großes Schild), der Dicke hat über 5 Tonnen.
Als wir endlich dort ankommen, gibt es nur noch eins: einfach drüber, umdrehen ist in unseren Köpfen zwischenzeitlich völlig undenkbar. Am Rio Puelo soll es aber einen schönen Stellplatz geben, so ein Tipp von Heidrun und Berthold. Wir kämpfen zwar wieder gegen die in den Weg wachsenden hohen Äste (der Dicke ist mit 3,60 m doch sehr hoch), aber kommen irgendwann auf einen schönen Rasenplatz direkt am klaren Wasser. Hier haben viele Chilenen ihre Zelte aufgebaut und genießen die letzten Tage der Sommerferien. |
Kaum geparkt, spricht uns Manni (Name von der Redaktion geändert ;-)) an. Er kommt jedes Jahr zum Angeln nach Chile und hat hier sogar einen Camper stehen. Wie meistens, ist er auch dieses Mal mit einem Kumpel da.
Die beiden sind Sportangler, werfen also die meisten Fische wieder ins Wasser. Sie warten auf Lachse, die zum Laichen zum Rio Puelo kommen sollen. Viele, aus Farmen „ausgebüxte“ Lachse und deren Nachkommen gibt es hier. Sie vermehren sich gut. Der Platz am Fluß gefällt uns so gut, dass wir gleich noch eine Nacht dran hängen. Aus den weichen Nektarinen kochen wir feinste Marmelade mit einem Hauch Chilli… …und packen auch gleich die Rucksäcke für das Cochamó Tal. Als wir uns von Manni und seinem Kumpel verabschieden, landen wir schnell und hart auf deutschem - nein bayrischem Boden. Von Bimbos ist die Rede, die deutsche Frauen vergewaltigen, von Zeitungen, die die Wahrheit verschweigen und sowieso keine Ahnung haben- in Bayern sind wohl entweder die Behörden völlig unfähig und/oder die Einheimischen Rassisten. Bitter. Auf zum gehypten Cochamó-Tal. In La Junta (13 km zu Fuß talaufwärts) gibt es außer vier Campingplätzen, Schafen, Kühen, Pferden und einem Refugio nichts. |
Trinkwasser kommt aus den Leitungen, alles andere muss man mitbringen oder sich bzw. sein Gepäck auf Pferden transportieren lassen.
Dafür gibt es kalte Duschen und Trenntoiletten. Müll - außer den biologischen - muss man wieder mitnehmen. Also alles öko-bio und sauber, jedenfalls auf dem Camping-platz „La Junta“, wie wir später fest-stellen. Wir entscheiden uns zuerst einmal fürs selber-Tragen. Viel brauchen wir ja nicht für die zwei Nächte, denn länger wollen wir den Dicken auf dem Parkplatz am Taleingang nicht stehen lassen. Hier gibt es zwar mehrere Anbieter für Stellplätze, aber werden die Autos dort auch bewacht? Dass das Cochamó Tal doch kein Geheimtipp mehr in Chile ist, sehen wir gleich beim Ankommen. Große Parkplätze, Busse, viele Pferde und noch mehr Wanderer. Die einen mit großen, schwer bepackten Rucksäcken, manche mit mittelgroßen, andere sogar ohne oder mit ganz wenig Gepäck. Wir sind wir überrascht, wie schwer unsere Rucksäcke sind, als wir sie aufsetzen. Aber Zelt, Isomatten, Schlafsäcke, Kocher, Lebensmittel, Klamotten und was man sonst so braucht, wiegen dann doch eine ganze Menge. Noch mehr überrascht sind wir, als wir einen Kontrollposten queren und wir hier nach unserer Buchungsbestätigung für den Campingplatz gefragt werden. |
Wir hatten dort zwar eine email hin geschickt, aber keine Bestätigung erhalten. Nach kurzer Diskussion müssen wir unsere Daten in ein großes Buch eintragen und dürfen dann doch weiter.
Die heftigste Überraschung ist aber die Qualität des Weges. Wir hatten gelesen, dass Allradfahrzeuge ins Tal fahren können. Kaum unterwegs, stellen wir fest, dass hier in den letzten Jahren nie nicht ein Fahrzeug gefahren sein kann. Der Weg ist schmal und matschig. Die Pferde kämpfen sich auf dem selben Weg nach oben und geben - durch ihr Gewicht und ihre Äpfel - dem Matsch noch mal eine ganz andere Qualität, als die, die wir bisher kennen. Zum Teil sind mannshohe tiefe Wege in die Erde gegraben - wir können uns darin jedenfalls mühelos verstecken. Zum Teil liegen dicke Baumstämme in der dunklen Brühe, zum Teil muss man klettern und balancieren. Es geht durch kleine Bäche oder über wackelige Brücken. 13 Kilometer und 330 Höhenmeter können hart und lang sein. Als wir nach fünf langen Stunden völlig verschwitzt, hungrig und müde am Campingplatz ankommen, wissen wir, dass die Wanderwege im Pumalin Park dagegen kinderleicht sind. Aber da hatten wir auch kein Gepäck, das mit jedem Kilometer schwerer zu werden scheint. |
Am Ziel erneut die Frage nach unserer Reservierung. Der Platz sei voll. Wir haben gar keine…. bekommen aber eine Gnadennacht, neuer Entscheid am nächsten Tag.
Das Zelt ist schnell aufgebaut, aber zum Essen gibt es jetzt nur noch Fertig-Nudelsuppe aus dem Päckchen. |
Und - ganz wider Erwarten - schlafen wir recht gut im ca. 100 cm schmalen Zelt. Umdrehen geht eigentlich fast nur, wenn wir das beide gleichzeitig tun.
Wir haben schon viel zusammen erlebt, aber dies ist - nach fast 20 Jahren - unsere erste gemeinsame Nacht in einem Zelt. |
Der erste Blick aus dem Zelt am nächsten Morgen ist dann doch verwirrend. Wolken und Nebel. So hatten wir uns das gar nicht vorgestellt.
Aber kurze Zeit später kommt die Sonne und die imposanten, silbrig schimmernden Granitberge werden sichtbar. Zum Frühstücken setzen wir uns zu ein paar jungen Leuten, die am |
Lagerfeuerplatz wenige Meter von unserem Zelt entfernt sitzen. Und landen direkt bei den Kletterern. Sie sind aus aller Welt, sprechen erst in Englisch wechseln dann entspannt ins Spanische, später wieder zurück.
Hier geht es nur um eines: Free-Climbing. Die meisten sind für mehrere Wochen hier, einige für viele Monate. Sie lassen sich wirklich den Lebensmittelnachschub per Pferd hochbringen. |
Hier lernen wir auch Caro North kennen. Caro gehört mit 26 Jahren schon zur Elite der Kletterer und Free Climber und ist Profi.
Andere Kletterer aus den USA erklären, Kinder kämen nicht in Frage, dafür sei die Arbeitssituation zu unklar. Ein Biologe (34) mit immer wieder befristeten Jobs will später noch einen Fisch suchen, der seit 1919 nicht beobachtet wurde. |
Wie spannend ist manchmal unser Leben… Am einen Tag landen wir hart bei den engstirnigen, haßerfüllten und einfältigen Parolen der AfD, am nächsten Tag in der kreativen, kritischen und trotzdem so weltoffenen Welt der Kletterer. Wie dumm das eine, wie interessant das andere.
Obwohl wir uns vom Aufstieg am Tag zuvor und der Nacht im Zelt noch etwas verknautscht fühlen, machen wir uns auf den Weg zum Arcoiris - Aussichtspunkt. |
Von hier aus soll man eine super Aussicht auf das ganze Tal und seine imposanten Berge haben. Der Hinweg (!!) wird von Autor für Outdoor- und Klettermagazine Chris (verlor seinen Nationalpark-Job wegen Trumpscher Kürzungen) auf fünf Stunden (für uns Untrainierte) geschätzt. Soll nicht ganz einfach sein.
Ist es auch nicht. Es geht fast direkt den Berg hoch. Über Wurzeln und Baumstämme einfach mehr oder weniger direkt nach oben durch den Regenwald. |
Der Weg ist trocken, aber selbst ohne Gepäck sind wir nach wenigen Metern schweißnaß.
Das ganze erinnert schon sehr an Bergsteigen. An den ganz steilen Passagen sind Seile bereits angebracht. Nach ca. 2 km und knapp drei Stunden Kraxelei gibt Chris auf. Wir verzichten notgedrungen auf die beeindruckende Aussicht und drehen um. |
Was für Weicheier wir doch sind…. so denken wir, als wir am nächsten Morgen dann die Geschichten der Bergsteiger hören. Zwei waren 17 1/2 Stunden bis zu einem Gipfel und zurück unterwegs…Thomas sieht schon nach fünf Stunden um Jahre gealtert aus.
Dafür kochen wir uns am Abend richtig fein etwas auf dem kleinen, fast 30 Jahre alten Trangia Kocher. Spaghetti gibt es mit einer Thunfisch-Mais-Zwiebeln-Tomatensauce. Nix besonderes im Dicken oder daheim, aber gerade heute und hier eine ganz edle Delikatesse. |
Um neun Uhr liegen wir in den Schlafsäcken. Und krabbeln erst knapp 12 Stunden später langsam wieder raus.
Werte ändern sich, in einer Welt mit kalter Dusche und Trenn-Klo, ohne Internet, Strom und Spiegel. Gekämmt oder nicht, wen interessiert das, wenn man sich selbst nicht sehen kann? Was bleibt, sind die Wolken und der Nebel morgens. Was auch bleibt, ist, dass die sich kurze Zeit später in Nichts auflösen und eine grandiose Sicht auf diese faszinierenden Granitfelsen frei geben. |
Wir packen schon wieder unsere sieben Sachen. Hieven die Rucksäcke auf den Rücken, die heute nicht mehr so schwer sind. (so viel haben wir doch gar nicht gegessen?!?)
Verabschieden uns von den Kletterern und machen uns auf den beschwerlichen Weg zu unserem Dicken, auf dessen Luxus wir uns heute ganz besonders freuen. Unser Auto wartet unbeschadet auf dem Parkplatz. Ein Pferd ist direkt daneben geparkt. Die Batterie ist voll, der Kühlschrank mit Vulkan-Bier drin arbeitet, die Temperatur im Dicken ist angenehm. Unser Zuhause halt. |