Es fing an mit einem Ächzen. Seit etwa 3 (drei!!) Jahren ächzte und „stöhnte“ der „Dicke“, also unser toller von Iglhaut modifizierter Sprinter, irgendwo im Vorderbau. Manchmal bei langsamer Fahrt, besonders bei Wetterwechsel, ab und zu auch im Stand. Man kann konnte das sogar vorführen: Einfach im Einstieg springen, das wippende Auto ächzt.
So gezeigt dem Metallbauer und Ingenieur Alex und dem Meister bei Mercedes in Ludwigsburg. Letzterer ließ was machen, die Rechnung haben (und mussten) wir aber nicht bezahlt, das Ächzen war nämlich nur bei der Abholung weg, es kam nach wenigen Kilometern wieder. Seit Corumbá im Pantanal mitten in Südamerika, wissen wir wohl, was es war: Eine der sehr speziellen gekröpften Querblattfedern der Vorderachse was seitlich abgebrochen. Beide Bruchstücke haben sich übereinander geschoben und gerieben. Metall auf Metall und das hört man. |
Gemerkt hat das weder jemand bei der jährlichen Hauptuntersuchung (wir waren bei Unabhängigen, aber auch bei Mercedes Fachwerkstätten) noch die Fachleute, die wir ja wiederholt befragt haben.
Hätten wir es gewusst- eine der Federn war auch beim Ankauf des gebrauchten Autos kaputt- wären wir wohl auf Iglhaut zugegangen. Die haben nämlich die Konstruktion schon vor Jahren geändert und bauen jetzt eine Originalfeder von MB ein und nicht mehr ihre (im Internet oft kritisierte weil bruchanfällige) Eigenkonstruktion. Gekröpft, also doppelt gebogen, sind die Federn übrigens, um Platz für das Vorderachsgetriebe zu schaffen mit Sperre, schon etwas Besonderes und Tolles. |
In Corumbá aber, das schrieben wir schon, waren die zwei Federn dann schon an drei Stellen gebrochen und wurden geschweißt. Im Brustton der Überzeugung versicherte der Chef, das werde halten, so mache man das hier auch bei großen LKW ganz oft. Es hielt 600 Kilometer.
An den ausgebauten Federn konnte auch Thomas als Laie sehr schön sehen, wie die Metallflächen sich gegenseitig blank gescheuert hatten- das Ächzen hatte einen Grund. Nach dem neuerlichen Bruch beschwerte sich unser „Dicker“ dann mit sehr viel lauteren Geräuschen, es knallte und schepperte in der Vorderachse, dass wir Angst bekamen, weiterzufahren. Kleinste Schlaglöcher oder Bodenwellen wurden uns drastisch vor Ohren geführt. Christin musste sich, um vorne Gewicht zu sparen, nach hinten setzen. Sie traute sich gar nicht mehr, zu fahren. |
So kommen wir denn in Sipe Sipe bei Cochabamba an, wo uns über die dort lebende Österreicherin Eveline Hilfe durch ihren Mann Carlos angeboten wurde. Carlos sei ein guter Organisator, habe selbst zwei alte Autos und lasse die laufend reparieren.
Und die Bolivianer können ALLES reparieren, da es ja nix Neues gebe. Letzteres können wir bestätigen. Vergesst Werbeaussagen, wonach Mercedes jedes Teil an jeden Ort der Welt verschicken kann. Das mag so sein, wir haben aber nicht herausgefunden, wen man dafür kennen muss. Der autorisierte Vertragshändler für Bolivien mailte nur: „Dieses Modell importieren wir nicht“, auf Nachfragen, ob Sprinter-Teile besorgt werden können, kam keine Antwort mehr. |
Lob für Iglhaut: Der Umrüstsatz wurde binnen weniger Tage an den ADAC geschickt, die Teilenummer der Standardteile wurden übermittelt. Fast nichts zu meckern. Hinweis: Der ADAC organisiert nur den Weiterversand, bezahlen muss man alles selber, auch Plus-Mitgliedschaft nützt da nichts. Dafür gibt es einen Begleitbrief, aus dem - auf spanisch ! - hervorgeht, dass wir das Ersatzteil dringend brauchen und es mit dem Auto wieder ausgeführt wird. Also kein Zoll fällig sein müsste.
Jetzt kommt Carlos und wir sind froh, dass er schon für den nächsten Tag (Samstag!) einen Termin organisiert, zur Not könne der Monteur auch noch am Sonntag. Klasse, wir um 08.00h pünktlich hin, der Mann ist aber gar nicht da. Carlos telefoniert etwas, wohl ein Notfall (oder Bolivien….) und wir fahren in den Nachbarort Quillacollo. |
Der erste angefragte Federspezialist guckt sich alles an, hat aber dann doch keine Zeit (oder Lust), ich kann ihn ja verstehen. Carlos ist weiter optimistisch und steuert uns zu einem Betrieb, der uns nun wirklich nicht den Eindruck von Kompetenz durch die äussere Erscheinung vermittelt.
Repariert wird am Straßenrand im Staub, den es zentimeterdick hat. Die Demontage geht rasch voran, plötzlich krabbelt auch ein 12-jähriger Junge mit unterm Auto rum. Der spielt aber nicht, er löst die gelockerten Schrauben ganz. Geschraubt wird komplett von Hand und da der letzte Monteur mit einem Schlagschrauber zu Werke ging, ist das jetzt ganz harte Männerarbeit. Beim Lösen des Querlenkers fällt erst das Mittelteil der ersten Feder runter und verpasst den Chef nur um Millimeter, er lacht. |
Dann klemmt sich der Bub den Finger ein und schreit vor Schmerz. Keiner lacht. Er hängt da Minuten fest, keiner findet einen Weg, ihn zu befreien, wir leiden Höllenqualen und wollen alles abbrechen.
Das geht aber nicht, weder ist der „Dicke“ fahrfähig noch können wir das den Menschen einschließlich Carlos erklären. Das alles ist ja hier augenscheinlich völlig normal. Drei erwachsene Monteure arbeiten ohne Handschuhe und in FlipFlops. Später wird geschweisst und geflext, die Funken sprühen… Schutzbrille? Hat hier niemand. Arbeitsschutz? Spielende Kinder unterm und neben dem Auto stören hier niemanden. Es geht unter Umständen voran, an die auch wir reiseerfahrenen Europäer uns erst gewöhnen müssen. |
Bald sind beide Blattfedern raus, jede zweimal gebrochen, ein neuer Schweissversuch mit diagonaler Naht und/oder Verstärkungen wird rasch verworfen. Wir traben los, es sollen neue Federn gekauft werden.
Nun hat Thomas schon x-mal erklärt und beschrieben, dass es sich um Spezialfedern handle und diese nirgends zu kaufen seien. Ja und? Laut Carlos sei das kein Problem, die werden passend gemacht. Auch, obwohl die gekauften an den Enden viel dicker sind? Wir werden sehen…. Zwei vom Chef der Federnbude (Muellería!!) beim Verkäufer wenige Häuser weiter aus einer Riesenauswahl ausgesuchte Stahlfedern sollen 1000 BOL kosten, also knapp 125 €. Carlos hilft mit Bargeld aus, die Federn tragen wir zurück und dann geht es richtig los. |
Christin riecht es zuerst, dann hört sie auch, was passiert: Mit dem Brenner wird die Feder an der zuvor ausgemessenen Stelle erhitzt, sodann auf den improvisierten Amboss und dann gib ihm! Mit einem respektablen Hammer setzt der Chef Schläge auf das erhitzte Metall und die Feder formt sich.
Als Thomas vom Geld holen zurück kommt, sind bereits zwei Federn doppelt gebogen, das sieht den Originalen schon ziemlich ähnlich. Zuletzt mit dem Schneidbrenner die Form an den Spitzen nachgeahmt und dann kommt die Flex zum Einsatz. Nein, die geht erst mal nicht, da muss erst das Kabel nachgeflickt werden, drei oder vier Flickstellen hat es schon. Dann springt die Maschine an. die Scheibe glüht, die Funken spritzen, niemand wird verletzt und schon gegen Mittag der erste Versuch, die passend geschmiedeten Federn einzubauen. |
Einige Zeit später kommt alles wieder raus, das passte nicht, zu wenig Platz für die viel dickere Feder als beim Original. Später höre ich von Carlos, dass mein Zollstock und das Messen unterm Auto die Jungs etwas verärgert hat. Ich sah so halt, dass die Feder fast 3 cm neben der Mitte hing. Mein Vorschlag, auch den zweiten Querlenker zu öffnen (so war das in Corumbá gemacht worden), stösst nicht gleich auf Zustimmung.
Abbrechen, doch die alten Federn schweissen? Von dem Lagerungs-Gummi etwas abschneiden? Nix da, ein Zentimeter von der neuen Feder auf jeder Seite mit dem Brenner ab, für das dünner machen Flex wieder ran und nach einer knappen Stunde neuer Versuch. Zwischendurch wird auch noch ein anderer LKW versorgt…. alles ohne Mittagessen und Pause. Der Bub kühlt noch seinen Finger, hilft aber schon wieder mit. |
Der zweite Versuch klappt (mit geöffnetem zweiten Querlenker), mit vielen Wagenhebern und viel Kraft wird alles wieder an die richtige Stelle gedrückt und es sieht aus wie vorher….nur die Federn sind VIEL stärker. Kurzer Schreck bei einer Probefahrt. Die Bremse scheint nicht zu funktionieren, das ändert sich aber schnell wieder zum Guten. Der Wagen steht vorne wieder hoch und hat Bodenfreiheit. Er ist härter gefedert denn je, aber: Er bollert und ächzt nicht mehr.
Carlos verspricht: Das hält bis Alaska und zurück, der Muelleria-Chef gibt mir in die Hand 5 Jahre Garantie. Wir glauben das. Und bezahlen gerne die verlangten 1000 BOL. Da mag eine kleine „Gringo-Tax“, also ein Aufschlag für Ausländer mit teuerem Auto drinstecken. Was wir hier in Bolivien dank Carlos für unser Geld bekommen haben, sieht aber - mit Verlaub - deutlich stabiler aus, als die ursprüngliche Lösung. Es federt aber auch härter. |
Wir werden auf die Haltbarkeit zurück kommen. Jetzt erst mal nach La Paz, da kommen ja Umbauteile an, falls die handgeschmiedeten Federn auf dem Weg durch die Baustellen nicht halten. Nachklapp 1: Wir sind über 4500 m hohe Pässe nach La Paz, Baustelle unterwegs, die Federn sind super. Etwas härter als vorher, aber sie halten. Nachklapp 2: Die bei Iglhaut bestellten und über den ADAC zum Flughafen La Paz versandten Ersatzteile haben wir - ohne Unterstützung - binnen einem Tag herausbekommen. Das war ein Hin und Her von Pontius zu Pilatus. Wer das genauer wissen möchte, spricht oder schreibt uns drauf an. Kostete Zoll und Einfuhrumsatzsteuer, obwohl wir die Teile ja ins Auto, das zollfrei eingeführt wurde, einbauen und gleich wieder rausfahren wollten. Jetzt liegen die Teile im Keller, falls die neu geschmiedeten Federn doch mal wieder brechen- trotz Garantie ;-)) Klick unten rechts für Video! |
Nachklapp 3:
In La Paz oder El Alto NIE selber rumfahren. Wir hatten gleich doppelt Kontakt mit der Polizei, einer wollte uns nen Unfall an die Backe quatschen, es staut sich entsetzlich, gefühlt Millionen von Minibussen kreisen durch die Gegend. Die halten überall und nehmen für 1,50 oder 2 BOL jederzeit mit und lassen auf Zuruf raus. Geniales System. |
Nachklapp 4:
Auf der Autobahn nach La Paz treiben zwei junge Militärs oder Polizisten ihr Unwesen. Einer winkte uns mit einem roten Fähnchen raus und wollte Geld. Wir seien 100 statt 80 gefahren. Nun hatten wir den Tempomat an und Chris wurde kurz vor dem Anhalten von einem LKW überholt. |
Thomas quatschte 15 Minuten (ua. das Auto fährt nur 85), mal verstand er nichts (hilft hier bei Polizisten generell), mal nutzte er den Offline-Übersetzer von Google.
Jedenfalls haben wir nichts bezahlt, zu Recht, da unser NAVI mitschreibt und wir wirklich nur 76 fuhren. Als wir das dem jungen Mann zeigen wollten, scheuchte er uns mürrisch weg. |