Nach drei Tagen Kaiserwetter, auch Lemgoer Wetter genannt, also blauer Himmel und Sonnenschein, lautet die Vorhersage Regen, gleich für mehrere Tage.
Was tun? Wir sind in Valdivia, da gibt es eine Niederlassung von Mercedes Kaufmann. Wie wäre es, da mal unser Auto vorzustellen? |
Wir verlieren ja nach wie vor Hydraulik-flüssigkeit aus dem Lenksystem und die Stahlfedern aus Bolivien sind schon recht hart. Sie scheinen auch nach vielen Kilometern Ripio etwas zu schwächeln, das sieht man an unserem Auto, weil der Abstand zwischen Vorderrad und Schutzblech geringer wird.
Sollte hier schon der Zeitpunkt sein, den Austausch mit den Iglhaut Teilen aus Deutschland anzugehen? Mal sehen, was die hier in der Fachwerkstatt sagen. |
Erste Überraschung: Nicht Termin nächste Woche, nein, bitte mal in die Werkstatt fahren, jemand sieht sich das gleich an. Ungewohnt, aber guter Service.
Wesentlich weniger schön der Moment danach: Wir bekommen die Preise genannt und wie das bei Mercedes so ist, ein Lenkgetriebe und ein neue Blattfeder kosten richtiges Geld. Wir erbitten Bedenkzeit. Die gleichen Teile kann man in Deutschland günstiger bekommen, aber wir sind in Chile und haben noch einige Tausend Kilometer bis Buenos Aires vor uns. Entschieden: Wir haben hier einen guten Eindruck, also Auftrag. 50 % Anzahlung finden wir als Neukunde sehr verständlich, am nächsten Morgen um 08.30 Uhr soll es los gehen. |
Zweite Überraschung: Wir dürfen hinten im Hof übernachten. Das hat uns noch keine Werkstatt angeboten, ist aber sehr in unserem Sinne, immerhin stehen wir hier sicher, ruhig und haben WiFi mit Internet und müssen morgens nicht noch ewig durch die Gegend fahren.
Pünktlich kommt unser geliebter Dicker auf eine Hebebühne und wir sitzen im Showroom bei den neuen PKW, mit Kaffeeautomat und WiFi. Also an die Homepage und Zeitungen herunterladen. Thomas liest ja die Süddeutsche, den SPIEGEL und die ZEIT, da braucht er schon ab und zu ein gutes Netz. Es ist zwar kühl hier, aber wir sind guter Dinge. |
Die dritte Überraschung ist dann nicht so schön: Die Feder passt nicht. Hier müssen wir etwas ins Detail gehen. Unser Fahrzeug ist ein 4x4, also Allradsprinter. Die FIN, also die Fahrgestellnummer, gehört aber zu einem „normalen“ 4x2. Die hier liegende Feder ist für den 4x2, sieht aber 4 bis 5 cm zu lang aus.
Vierte Überraschung: Ein junger Mann spricht uns auf deutsch an. Er stellt sich als Max Kaufmann vor, Manager für mehrere Autohäuser der Gruppe. Als Enkel des Firmengründers war er schon mehrmals in Deutschland, er freut sich, uns helfen zu können und für uns scheint er wie ein Geschenk des Himmels. Er erklärt, die Feder für den 4x4 könne bis morgen, also am Samstag, aus Santiago besorgt werden und wenn das für uns ok sei, wolle man am Samstag morgen schauen, das Auto fertig zumachen. |
Fünfte Überaschung: Wir dürfen auch im Auto schlafen, er biete uns aber gerne an, uns in einem Hotel in der Nähe unterzubringen. Auto verlassen…. das wollen wir regelmässig nicht, erklären ihm das und freuen uns auf eine warme Dusche im Sanitärtrakt.
Sechste Überraschung: Am Samstag wird hier gar nicht gearbeitet. Der Trupp der Monteure kommt ausschließlich wegen uns - mit der anderen Feder. Dummerweise ist diese exakt so lang wie die, die schon da ist. Jetzt bräuchten wir Unterstützung von Iglhaut aus Deutschland, aber auch dort ist Samstag und wir kriegen niemand. Auch am Freitag war - bedingt durch die Zeitverschiebung - bereits Feierabend. Welche der Federn nehmen, für den Werksallrad oder den 4x2? Wie reinzwängen, wenn anscheinend Platz fehlt? |
Notgedrungen wird alles auf Montag verschoben. Bis dahin hoffen wir auf Informationen aus Deutschland, die Monteure gehen in ihr verdientes Wochenende. Wir stellen uns auf zwei weitere Nächte und Tage „schwebend“ ein. (so wenig hat der Dicke noch nie gewackelt…)
Wie immer sehen wir alles Positiv: Wir haben Strom und Internet, genug zu essen und zu trinken. Das Wetter ist schlecht. Wir machen das Beste draus und sind einfach richtig faul. Hat ja auch was, nicht viel tun zu können. DVD`s gucken bis in die Nacht, deutsches Fernsehen streamen, Tatort, Anne Will- fast wie daheim. Als am Montag früh das Leben bei Mercedes Kaufmann wieder startet, haben wir fast schon viereckige Augen… und: ganz ehrlich: die Halle nicht ein einziges mal verlassen. |
Los geht es erst nach genauen Instruktionen aus Deutschland, also Telefonat mit Iglhaut und (Danke!) Mails von dort mit Tipps und Tricks.
Der Einbau der GfK Feder gestaltet sich deutlich schwieriger, als gedacht. Immer wieder kommen der Servicechef und der Niederlassungsleiter hinzu. Aber durch den Einsatz der Monteure hier und mit der Hilfe von Iglhaut ist die Widerspenstige drin und nach Feierabend der erste Querlenker wieder fest. Die restlichen Arbeiten am Dicken werden auf Dienstag verschoben - der hat ja noch keine Räder… Zwischenzeitlich sind wir bekannt hier wie bunte Hunde. Jeder grüßt uns, jeder kennt uns. Jeder ist freundlich. |
Siebte Überraschung: Der wieder auf seinen eigenen Rädern stehende Dicke hat X-Beine bekommen, die Reifen stehen extrem schräg nach aussen weg. Die Monteure rätseln, Thomas möchte so gar nicht losfahren. Bild nach Marktbreit (Iglhaut)- schnelle Antwort: Beim Auto muss die Spur vermessen und neu eingestellt werden. Wir also mit einem Monteur als Begleitung zum Spezialisten, Spur wird eingestellt.
Achte Überraschung: Auf der Rückfahrt leuchtet eine Warnleuchte rot, Recherche: Ein Sensor im Lenkrad defekt, zuständig für Airbag und Gurtstraffer, also wichtig für die Sicherheit. Max Kaufmann organisiert Abhilfe. Es wird Mittwoch. Und es kommt die neunte Überraschung: eine Mail von Iglhaut mit den genauen Vorgabewerten für die Spureinstellung. Nachfrage zeigt: Die Werte unterscheiden sich vom normalen Sprinter durchaus erheblich. Also wieder zum Vermesser, Thomas traut sich jetzt alleine hin. |
Zehnte Überraschung: Der Spureinsteller interpretiert die Vorgaben aus Deutschland kreativ:
eine Vorgabe von -0°20´ mit einer Toleranzangabe von +/- 0°05´ liest er so, dass er zwischen -0°20´ und +0°05´ freie Auswahl hat. Da bist du als Laie natürlich etwas unsicher, Thomas hat ja gar keine Ahnung, was eine Abweichung von 0 bedeutet und 0 ist die Vorgabe für den normalen Sprinter. Und so hat er es eingestellt. Erst eine erneute Beteiligung von Max Kaufmann per Telefon (danke, danke, danke, er hat x-mal mit und für uns telefoniert) bringt unseren Dicken in die vorgegebene Spur, widerwillig ändert der „Fachbetrieb“ die Spurstangen zum dritten Mal. Puh…mal sehen, wie er jetzt läuft. Schnell zurück, wir dürfen wieder bei Kaufmann in die Kantine. |
Elfte und letzte Überraschung: Für die vielen Verzögerungen bekommen wir 15 % Teilerabatt, einen frisch gewaschenen Dicken und alle haben strahlende Gesichter.
Wir glauben, die Monteure waren auch ein klein wenig froh, uns endlich los zu sein- und erfolgreich das Auto fertig bekommen zu haben. Allerdings hat uns niemand auch nur im Ansatz so ein Gefühl vermittelt. Bis zur letzten Sekunde half uns zum Beispiel Milton, der die Erstannahme gemacht hatte, beim Wassertanken. Wir wissen inzwischen, er hatte schon eine Ersatzoption gecheckt, nämlich ein erneutes Nachschmieden von Stahlfedern. Aber es ist gut gegangen, wir haben noch nie so gerne eine durchaus knackige Rechnung bezahlt, haben aber jetzt die Gewissheit: Das Auto ist gecheckt, mit Originalteilen repariert und in einem besseren Zustand, als wir es je hatten. Genau so fühlt es sich bei der abschliessenden Testfahrt über heftige ungepflasterte Wege an. |
Jungs in Valdivia:
Ihr könnt stolz auf euch sein und wir sind glücklich und dankbar. Und unser Dicker sieht auch noch spektakulärer aus, er ist vorne um einige Zentimeter gewachsen. |